Predigt des Geistlichen Beirates Cbr. Dr. Max Hopfner

anläßlich des TCV-Cartelltreffens und des 90. Stiftungsfest der KDStV Markomannia Mannheim, gehalten am Sonntag, 27.April 2014 in St. Marien zu Weinheim

 

Liebe Cartellbrüder, verehrte Schwestern und Brüder,

es gibt Situationen, Worte und auch Begegnungen, die sich stark einprägen, die in lebhafter Erinnerung bleiben und an die man gerne und beglückend zurückdenkt. Dies ist uns auch aus dem Evangelium bekannt: Am vergangenen Sonntag hörten wir von den beiden Emmausjüngern; sie waren wie mit Blindheit beschlagen, erkannten Christus erst, als der ihnen die Schrift auslegte und das Brot mit ihnen teilte. Es drängte sie, diese Begegnung den anderen Jüngern mitzuteilen. Heute, am 2. Ostersonntag, dem Weißen Sonntag, wird uns der Apostel Thomas, der kritische und zweifelnde Jünger vorgestellt; er möchte sehen und handfest erfahren, ob dies alles stimmt, dass Christus wirklich von den Toten auferstanden ist. Wenn ich nicht meine Hände in seine Wundmale lege, glaube ich nicht! Wenn ich nicht sehe, glaube ich nicht!

Durch alle Jahrhunderte, ja Jahrtausende bis herein in unsere Zeit besteht dieser Zweifel und die vorwurfsvolle Forderung, wenn ich nicht selbst erfahre, empirisch nachprüfen kann und zwingende Beweise habe, glaube ich nicht. Die Aufklärung mit der Betonung der Lehre der „reinen Vernunft“ beschleunigte diese Strömung, was heute infolge der weiteren technischen und wissenschaftlichen Entwicklung in dem Bekenntnis gipfelt: wenn ich nicht sehe, glaube ich nicht.

Papst emeritus Benedikt XVI griff in seinem Pontifikat dieses Thema philosophisch und theologisch auf unter dem Stichwort: Glaube und Vernunft. Beides gehört zusammen, der Glaube und die Vernunft bedingen und ergänzen einander. Der Glaube muss vernünftig sein, die Glaubenswahrheiten dürfen nicht zu frommen Märchen degradiert werden; wir erleben in manchen angeblich religiösen Sektoren recht wunderliche Sekten. Der Glaube hat bestimmt mit Vernunft zu tun, aber wir wissen auch, dass unsere menschliche Vernunftbegabung begrenzt ist: wir wissen vieles, aber nicht alles; vieles bleibt unserem Verstehen unerklärlich und verborgen. Es gibt eine Grenze für unseren Verstand. Wer kann den Beginn des Lebens vernunftgemäß aufzeigen, wie können wir das Leben nach dem Tode erklären? Vernunft hat eine menschliche Grenze; wo aber Vernunft am Ende ist, muss der Glaube einsetzen; erst der Glaube führt uns aus unserer Begrenztheit hinaus zum ewigen, lebendigen, allmächtigen Gott, durch den unser Leben hier erst vernünftig und sinnvoll wird. Selig, die nicht sehen und doch glauben!

Einseitig und ausschließlich auf Vernunft, auf den Verstand zu bauen, auf das eigene Können und Wissen zu setzen, führt leicht und schnell zur Überheblichkeit, zum Stolz. Im Stolz liegt bekanntlich der Ursprung der Ursünde - sein zu wollen wie Gott, so lesen wir im Schöpfungsbericht über Adam und Eva. Der aufgeklärte, moderne, wissenschaftlich geprägte Mensch bildet sich ein, heute alles zu können. Dank der Technik ist uns auch fast alles möglich, wir können alles machen, selbst die Welt kann der Mensch kaputt machen. Wir beherrschen alles, die Welt, die Schöpfung, den Menschen. Es entstand dafür der Begriff der „Selbstverwirklichung“. Wir können und wollen uns selbst verwirklichen, dies ist das Maß und das Ziel des heutigen Menschen. Aber, fragen wir uns mal ehrlich, was wollen wir eigentlich selbst verwirklichen, unsere Leiden, unsere Krankheiten, Gebrechen, den Tod; unsere Bosheit, Fehlerhaftigkeit, Sünde. Was wollen wir denn wirklich selbst verwirklichen?

Wenn wir uns darauf besinnen, dass Gott den Menschen als Mann und Frau erschaffen hat, als sein Bild und Gleichnis, ja als sein Ebenbild, dann verwirklichen wir uns nicht selber, sondern Gott, der die Liebe ist. So ist uns auch die Sehnsucht eingegeben, die Sehnsucht nach Glück, Vollkommenheit und Erlösung, d.h. wir leben auch in Hoffnung, die wir letztlich nur in Gott finden können. Wir können das Paradies nicht auf Erden finden, geschweige, das Paradies auf Erden schaffen, dass uns vor Zeiten von sozialistischen Gruppen versprochen wurde, was bekanntlich daneben ging.

90 Jahre KDStV Markomannia und auch 111 Jahre TCV gründen auf dem Prinzip Hoffnung, was uns besagt, dass wir trotz aller Höhen und Tiefen in der Bindung an Gott, in der religio, auf dem rechten Weg sind und eine gute Zukunft erhoffen dürfen, eben in der Begleitung dessen, der von sich gesagt hat: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Werfen wir nochmals den Blick auf das Evangelium, wo es jetzt in der Osterzeit heißt: sie verharrten in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und im Gebete. Ja, alle die gläubig geworden waren, hielten zusammen und hatten alles gemeinsam. Gemeinschaft und Zusammenhalt haben wir als katholischer Verband TCV und auch als katholische Verbindung Markomannia auf unsere Fahne geschrieben. Unser Prinzip amicitia heißt Freundschaft, Zusammenhalt, Einheit. Es ist etwas anderes als die Parolen, alles gehört allen, alle sind gleich. Warum dies nicht geklappt hat und diese kommunistische Ideologie gescheitert ist, liegt darin, dass es dabei um Herrschaft und Gewalt, um Unterdrückung und Unfreiheit, sowie um Leugnung Gottes und seiner Gebote geht. Dies konnte nicht gut gehen. Letztlich war für die Urchristen damals das treibende Motiv die Liebe Gottes, die sie bewegt und ermutigt hatte. Hass und Feindschaft, Streit und Krieg zerstören, allein die Liebe baut auf. Warum es uns im (ehemaligen) christlichen Abendland so gut geht und wir menschlich, kulturell und damit auch wirtschaftlich auf hohem Niveau leben können, hat nicht zuletzt auch in den christlichen Grundsätzen seine Erklärung. Wir liegen mit unseren Prinzipien religio und amicitia richtig!

Ende des Monats Mai feiern wir in Regensburg den 99. Deutschen Katholikentag; er steht unter dem Motto: „Mit Christus Brücken bauen!“ Unsere Regensburger TCV-Verbindung trägt den Namen Pontana, der in Anspielung zur „Steinernen Brücke“ gewählt wurde; pons/pontis der lateinische Name für Brücke. Wir als Pontanen vertreten damit den TCV auch auf dem Katholikentag. Aber als TCV und als jeweilige Verbindung dieses Verbandes haben wir die Aufgabe in unserer Gesellschaft Brücken zu bauen: zu Gott, zu den Cartellbrüdern und allen Schwestern und Brüdern.

Zum Abschluss möchte ich noch auf einen Bericht zu Ostern hinweisen von Bischof Pickel, der ein katholisches, riesiges Bistum in Russland leitet. Er schreibt, dass man sich in Russland an Ostern mit dem Gruß „Christós voskrés“ – Christus ist auferstanden begrüßte. Eine Anektode dazu erzählt: Josef Stalin kommt am Ostermorgen ins Büro. Ein Offizier im Vorzimmer springt auf, um Meldung zu machen und ruft: Genosse Stalin, Christós voskrés. Stalin geht stillschweigend vorbei in sein Arbeitszimmer; es tritt die Sekretärin mit einem Stapel Papier unterm Arm herein. Auch sie grüßt mit den Worten: Genosse Stalin, Christus ist auferstanden!- Stalin schweigt zunächst, dann brummt er: ich weiß, das wurde mir bereits berichtet, aber schweigen wir darüber. Auch uns, liebe Schwestern und Brüder, gilt der Gruß: Christós voskrés – Christus ist auferstanden! Aber schweigen wir nicht darüber, sondern reden wir darüber, sagen wir es weiter, leben wir darnach und bezeugen wir es in der Welt. Christus, der Auferstandene ist unser Glaube, unsere Hoffnung und unsere Liebe.